Oder: Warum ich begonnen habe, an quelloffener Web-Genealogie zu arbeiten.
Dieser Artikel erschien zuerst auf David Straubs persönlichem Blog.
Stammbäume haben mich schon immer fasziniert. Mein Großvater war Hobby-Genealoge und Heimatforscher und hat Ahnentafeln bis zu zehn Generationen zurück erforscht und erstellt. Die Namen all der Menschen zu sehen, ohne die ich nicht existieren würde, machte mich neugierig auf ihr Leben. Historische Ereignisse, die ich im Geschichtsunterricht hörte, wurden viel greifbarer, wenn ich mir vorstellte, wie meine Vorfahren sie erlebt haben – ohne das Wissen um den Ausgang, das wir heute beim Blick auf die Geschichte oft als selbstverständlich nehmen.
Digitalisierung
Ich begann schon als Schüler, diese Stammbäume zu digitalisieren, und erkannte schnell die enormen Möglichkeiten, die das Internet für Hobby-Genealogen bietet. Es dauerte länger, bis ich die Notwendigkeit verstand, Originalquellen zu prüfen und alles nachvollziehbar zu dokumentieren. (Dass ich parallel Wissenschaftler wurde, hat dabei geholfen.)
Mit den Jahren sammelte, untersuchte und dokumentierte ich immer mehr – und machte mir zunehmend Gedanken über zwei Fragen: Wie stelle ich sicher, dass die Daten auch in einer Generation noch lesbar und nutzbar sind? Und wie kann ich das gesammelte Wissen mit meinen Verwandten teilen?
Geschichte bewahren
Die erste Frage führte mich zwangsläufig zu Open-Source-Tools für alle meine digitalen Daten. Auf genealogischen Zeitskalen kann man sich auf kein Software-Tool für immer verlassen. Kommerzielle Programme verschwinden, wenn Firmen pleitegehen oder ihre Prioritäten ändern. Auch Open-Source-Tools können aufhören zu funktionieren, wenn Entwickler das Interesse verlieren. Aber mit offenen Datenformaten bleibt alles zugänglich, und Dateien können lange nach dem Verschwinden des Originalprogramms wiederhergestellt, migriert oder weiterverwendet werden.
Gramps ist eine quelloffene, plattformübergreifende Desktop-Genealogie-App, die es seit 2001 gibt und die von einer aktiven Community entwickelt wird. Mit SQLite als Datenbank, XML als Import-/Exportformat und einem klaren Datenmodell war es genau das, was ich brauchte, um sicherzustellen, dass meine digitale Forschungsarbeit nicht umsonst war.
Anfangs nutzte ich Gramps nur für den „Stammbaum“, also Lebensdaten der Vorfahren. Es dauerte ein paar Jahre, bis ich den Wert erkannte, alles zu integrieren: Ich verzichtete auf externe Notizen und Dokumentationstools und übernahm die Philosophie: Was nicht in meiner genealogischen Datenbank ist, existiert nicht. So reicht es, diese Datenbank in einem lesbaren Format zu sichern, um meine gesamte Forschung zu bewahren.
Ergebnisse teilen
Die zweite Frage war damit aber noch nicht gelöst: Wie kann ich die Ergebnisse teilen – nicht nur, um zu informieren oder anzugeben, sondern auch, um anderen zu ermöglichen, selbst weiterzuforschen?
Meine erste Idee war ein Buch, eine Familienchronik. Doch beim Sammeln des Materials wurde mir klar: Dieses Buch würde nie fertig. Genealogie ist eine Reise, kein Ziel. Passender erschien mir ein Blog: Geschichten erzählen, wie sie sich aus dem Dunkel der Geschichte herauskristallisieren.
Doch so spannend Geschichten sind, reine Daten – Lebensdaten, Verwandtschaftsdiagramme, Quellen – wollte ich nicht für mich behalten. Geschichten ohne Belege und Fakten sind wenig wert. Warum sollte ein Genealoge in zwei Generationen sie ernst nehmen – falls er sie überhaupt findet?
Statt einseitiger Ergebnispräsentation wäre es nicht sinnvoller, ein Online-Tool zu schaffen, das die genealogische Forschung selbst zur Zusammenarbeit macht?
Alles auf einmal
Damit waren alle Zutaten für mein ideales Genealogie-Setup beisammen: ein Blog, verknüpft mit einer online zugänglichen genealogischen Datenbank, die alle in Gramps gesammelten Informationen enthält, optional bearbeitbar durch Vertrauenspersonen, natürlich alles datenschutzkonform mit sicherer Authentifizierung.
Dass diese Mischung tatsächlich zu Gramps Web wurde, verdanke ich vielen Umständen: der Tatsache, dass Gramps in Python geschrieben ist – eine damals überraschende, aber für eine moderne Web-App perfekte Wahl; einer beruflichen Auszeit, die Zeit für ein privates Projekt bot; und einer offenen, hilfsbereiten Gramps-Community, die das Projekt aufgenommen hat und die ich bis heute gerne unterstütze.
Hürden senken
Auch wenn ich mit dem Tool zufrieden war, hatten viele potenzielle Nutzer Schwierigkeiten mit der Komplexität der Installation einer modernen Web-App mit mehreren Komponenten und verschlüsselter Übertragung. Deshalb startete ich 2023 Grampshub, eine gehostete Gramps Web-Instanz, die in Minuten eingerichtet ist – gegen eine monatliche Gebühr je nach Baumgröße.
Auch wenn das Abo-Modell kommerziellen Plattformen ähnelt, ist die Philosophie von Grampshub grundlegend anders: Die Gebühren decken die Hosting-Kosten, aber Gramps Web macht es so einfach wie möglich, alle Daten zu exportieren und auf einen anderen Server oder rein offline mit Gramps Desktop umzuziehen. Statt Nutzer durch Daten-Lock-in zu binden, können sie jederzeit wechseln.
Fazit
Wer mehr erfahren möchte, wie Gramps Web bei der Familienforschung helfen kann – egal ob Hobby- oder Berufsgenealoge –, findet Infos in der offiziellen Dokumentation. Wer selbst Entwickler ist, findet dort auch Hinweise zum Mitmachen. Es gibt immer etwas zu verbessern!